Während die Regeln für die Datenweitergabe aus dem
Melderegister wesentlich strenger geworden sind, versuchen insbesondere
Verleger die geplanten strengeren Regeln in der kommenden
EU-
Datenschutzverordnung zu kippen.
Datenschutzverordnung zu kippen.
Die Deutsche Post und Verlage wie Bertelsmann haben
inzwischen Adressdaten und weitere Informationen zu fast allen deutschen
Haushalten.
Ein öffentlicher Aufschrei sorgte dafür, dass der Vermittlungsausschuss
von Bundesrat und Bundestag die Regelungen für den Datenabruf aus dem
Melderegister doch wesentlich strenger fasste. Ursprünglich sollten
Einwohnermeldeämter persönliche Daten von Bürgern an Firmen und Adresshändler
ohne Einwilligung weitergeben dürfen. Nun soll dies nur dann möglich sein, wenn
die Betroffenen ausdrücklich eingewilligt haben. Die Einwilligung können Bürger
entweder gegenüber dem Einwohnermeldeamt oder gegenüber einzelnen Unternehmen
erteilen.
Ob eine Einwilligung tatsächlich vorliegt, prüfen die Ämter
stichprobenartig. Karin Schuler von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz
e. V. rät der Klarheit und Übersicht wegen "jedem Einzelnen, die
Meldebehörde davon in Kenntnis zu setzen, wenn man die Abfrage seiner Daten nicht
erlauben möchte". Sonst könnte der Überblick verloren gehen, wem man
Einwilligungen erteilt oder entzogen hat.
Adress-Unternehmen haben Daten zu fast allen Haushalten
Das neue Melderecht schiebt dem Adressensammeln gleichwohl
keinen Riegel vor. So gilt ein "Nein" nicht, wenn ein Unternehmen
schon längst über die Daten verfügt. Professionelle Adresshändler verfügen über
Millionen von Haushaltsdaten. Die Deutsche Post Direkt GmbH beispielsweise
wirbt damit, dass sie bereits über 37 Millionen "Qualitätsadressen"
mit mehr als eine Milliarde Merkmalen hat. Die Bertelsmann-Tochter Arvato AZ
Direct kann auf eine Adressbasis von 40 Millionen und damit so gut wie auf alle
deutschen Haushalte zugreifen.
Dass das Adressensammeln schon mit der Geburt beginnt,
zeigen die zahlreichen Gutscheinaktionen, die frisch gebackenen Eltern ins Haus
flattern. Dabei genügt es meist nicht, die eigene Anschrift anzugeben, es
müssen oft auch der Name des Kindes nebst Geburtsdatum genannt werden. Später
versuchen insbesondere Verlage in Kindergärten und Schulen über Rabattaktionen
an weitere Adressen zu kommen.
Der Journalist Richard Gutjahr beschrieb kürzlich die Aktion
der Bertelsmann-Tochter immediaOne, die über Büchergutscheine des Duden-Verlags
in Schulen Adressen einsammelt, um sie dann für Werbezwecke an Verlagspartner
weiterzugeben. Dabei wird versucht, möglichst ganze Klassen zur Abnahme von
kostenlosen Duden-Lernbüchern zu bewegen. Laut Bertelsmann sind die Karten in
Millionen-Auflage im Umlauf.
Büchergutscheine in Schulen sollen vor allem Daten
einbringen
Dieser Direktwerbung, die sich schon an Kinder wendet, will
Brüssel mit einer neuen Datenschutzverordnung einen Riegel vorschieben.
Generell soll Direktmarketing zwar erlaubt sein, insbesondere Kinder sollen
davon jedoch ausgenommen werden. Wie die Initiative LobbyPlag.eu zeigte, bei
der Gutjahr mitarbeitet, setzt sich der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger
(VDZ) aber just dafür ein, diesen Schutz für Kinder wieder aus der Verordnung
zu streichen. Die Daten von Kindergarten- und Schulkindern sollen also
weiterhin mit Aktionen wie Büchergutscheinen eingesammelt werden können.
Wie umkämpft die neuen europäischen Datenschutzregeln sind
und wie sehr Abgeordnete auf die Einwände von Lobbyisten hören, zeigte die
Initiative Lobby Plag.de schon vorher an anderer Stelle: So fanden sich in
zahlreichen Änderungsvorschlägen vor allem von konservativen und liberalen
Abgeordneten 1:1 kopierte Formulierungen aus den Papieren von
Industrievertretern. Dabei geht es um mehr als nur um den Schutz von Kindern
vor Adresssammlern, sondern um viele weitere Datenschutzregeln, die die
Industrievertreter für wettbewerbsfeindlich halten.
Professor Michael Waidner, Direktor am Fraunhofer SIT,
betont: "Der ungewöhnlich starke Lobbying-Einsatz richtet sich primär
gegen die Verordnung." Fünf führende Datenschutzexperten in Deutschland
haben sich deshalb unter www.dataprotectioneu.eu ausdrücklich für den strengen
Entwurf der Kommission für eine Datenschutzverordnung ausgesprochen. Inzwischen
haben sich über 70 europäische Wissenschaftler dem Kommentar angeschlossen. Sie
halten der Industrielobby entgegen, dass "Innovation und Wettbewerb nicht
gefährdet werden" – im Gegenteil: Wie beim Umweltschutz oder der
Verkehrssicherheit könnten strengere Regeln Innovationen fördern.
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