Die Datenkraken der Bürgerbewegungen


(Un)soziale Datenkraken Nicht nur Google und Facebook sammeln massenweise Daten ihrer Nutzer. Auch vordergründig soziale Unternehmen und Bürgerbewegungen haben das Geschäftsmodell für sich entdeckt.


Es heißt, Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts. Doch während die Ölstaaten derzeit fördern, was die Pumpe hergibt, und so den Ölpreis weiter in den Keller treiben, werden Daten immer wertvoller, je mehr davon gesammelt werden. Am kostbarsten sind personalisierte Daten, die möglichst viele Informationen über einen Nutzer liefern, um ihm zielgerichtet genau auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Produkte und Dienste verkaufen zu können. Konzerne wie Google, Facebook und Amazon sind mit dem Sammeln, Aufbereiten und Weiterverkaufen von Nutzerdaten zu milliardenschweren Giganten herangewachsen. 

Dafür müssen sie sich allerdings auch als Datenkrake beschimpfen lassen. Ihr Geschäftsmodell steht unter Generalverdacht und unter Dauerbeobachtung von Wettbewerbsbehörden und Datenschützern. Dabei wird gerne übersehen, dass heute kaum noch ein Unternehmen darauf verzichtet, die Daten seiner Kunden zu sammeln. Und die fleißigsten Datenkraken sind ganz offensichtlich nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen. Eine davon ist die Kampagnenplattform Change.org, die für ihre Sammeln Leidenschaft und Geschäftstüchtigkeit aktuell mit dem Big Brother Award 2016 in der Kategorie Wirtschaft ausgezeichnet wurde.

Dabei hatte Ben Rattray Change.org 2007 gegründet, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Auf der Online-Plattform kann jedermann kostenlos digitale Petitionen veröffentlichen. Seitdem ist Change.org jedoch zu einer hochdrehenden Meinungsmaschine geworden, die die FAZ schon mal als Petitions-Drückerkolonne bezeichnete. Denn Change.org ist entgegen der sozial und progressiv klingenden Selbstbeschreibung tatsächlich keine Organisation, die nach altruistischen Grundsätzen, also nicht profitorientiert, arbeitet. 

Das zeigt schon die Liste der Investoren, zu denen Branchengrößen wie Twitter-Mitgründer Evan Williams, Linkedin-Chef Jeff Weiner, Ebay-Gründer Pierre Omidyar, Bill Gates und der britische Unternehmer Richard Branson zählen. Geld verdient Change.org mit gesponserten Petitionen, bei denen die Initiatoren dafür zahlen, dass sie Werbung einblenden dürfen. Das allein wäre nicht verwerflich. Die Initiatoren des Big Brother Awards werfen dem Unternehmen aber zudem einen problematischen Umgang mit den Daten der Unterzeichner vor. Neben Name, Adresse und Mail-Adresse würde Change.org nämlich auch Informationen dazu sammeln, welche Petitionen unterstützt wurden. 

Die personenbezogenen Daten der Nutzer würden in vielfältiger und nicht transparenter Art und Weise für eigene Geschäftszwecke verwendet. Das Unternehmen fertige auf der Basis der Informationen über unterzeichnete Petitionen etwa Analysen an zur politischen Meinung, zur gesellschaftlichen Positionierung oder zur sozialen Situation von Einzelpersonen und verwende diese für eigene wirtschaftliche Zwecke. Die Big Brother-Initiatoren kommen deshalb zu dem Schluss, dass Change.org keine non-profit-Bürgerbewegung in digitaler Form sei, sondern ein Wirtschaftsunternehmen, in dessen Geschäftsmodell die Verwendung und Nutzung von sensiblen personenbezogenen Daten sowie der Handel mit E-Mail-Adressen eine zentrale Rolle einnehme. Diese Daten dienten vorrangig dem Zweck, Kasse zu machen. Ehrlicherweise sollte sich change.org umbenennen in change. com, so die Empfehlung.

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